Die Gemeinde Greifensee erhöht mit dem Kauf einer Wohnung langfristig den eigenen Handlungsspielraum

3. Oktober 2024
Alle Zürcher Gemeinden stehen unter grossem Druck, genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen – namentlich in der Sozialhilfe und im Asylbereich. Die Gemeinde Greifensee kann aktuell den Bedarf nicht decken, weshalb unbefriedigende und teure Notlösungen drohen und teilweise schon umgesetzt werden müssen. Um langfristig den Spielraum für verschiedene Zwecke zu erhöhen, hat der Gemeinderat deshalb den Kauf einer 5-Zimmer-Wohnung beschlossen. Der Kauf von weiterem Wohnraum wird geprüft.

Wohncontainer einrichten, Zeltstädte aufbauen, Gebäude umbauen, Wohnungen anmieten, Abbruchhäuser auffrischen oder die Nutzung von Zivilschutzanlagen: Viele Gemeinden im Kanton Zürich sind erfinderisch, um genügend Wohnraum in der Sozialhilfe und im Asylbereich zur Verfügung zu stellen. Kann die Asylquote nicht erfüllt werden, drohen teure Ersatzmassnahmen oder Zwangszuweisungen. Dies zeigt: Die Flüchtlingskrise setzt viele Gemeinden unter Druck. Sie machen ihr Möglichstes, um gute Lösungen zu finden, stossen aber zunehmend an Grenzen. Auch die Gemeinde Greifensee sieht sich mit diesen Herausforderungen konfrontiert. Dem Gemeinderat ist es aber wichtig, für alle Bewohnerinnen und Bewohner von Greifensee gute Lösungen zu finden. Dies soll sowohl finanziell als auch sozial verträglich und mit Sorgfalt geschehen. Dafür braucht es aber entsprechende Handlungsmöglichkeiten.

Greifensee hat vor sechs Jahren zwei Asylcontainer an der Tumigerstrasse 31 a/b erstellt. Einer von ihnen soll nun um ein Geschoss aufgestockt werden, was Platz für sechs zusätzliche Bewohnerinnen und Bewohner schafft. Beim anderen Asylcontainer ist eine solche Lösung wegen Bauvorschriften zum Grenzabstand leider nicht möglich, wie Abklärungen der Gemeinde gezeigt haben.

Der Druck, solche Lösungen zu finden, hat dieses Jahr noch zugenommen. Der Kanton hat per 1. Juli 2024 die Quote der aufzunehmenden Asyl- und Schutzsuchenden von 1,3 % auf 1,6 % der Wohnbevölkerung erhöht. In effektiven Zahlen bedeutet dies, dass die Gemeinde Greifensee statt 69 neu 85 Personen mit einem Asyl- oder Schutzstatus aufnehmen muss. Der Wohnraum ist indes knapp, die Gemeinde hat im Asylbereich aktuell Wohnraum für total 70 Personen zur Verfügung (inkl. acht zugemieteten Wohnungen). Damit gelingt es der Gemeinde nicht, die vom Kanton geforderte Quote von 1,6 % zu erfüllen. Deshalb müssten bei Zuweisungen von Asyl- und Schutzsuchenden durch den Kanton, welche jederzeit erfolgen können, Übergangslösungen wie die Unterbringung in Hotels oder Ähnliches gefunden werden. Damit würden massive Mehrkosten auf die Gemeinde zukommen, sofern überhaupt solche Lösungen zur Verfügung stehen.

Knappheit verteuert Sozialhilfe und führt besonders bei betroffenen Familien zu Problemen

Die Wohnraumknappheit und die anhaltende Flüchtlingskrise haben auch Auswirkungen auf die Sozialhilfe. Die Gemeinde hat aktuell keine Möglichkeit, Personen, die aus wirtschaftlicher Not obdachlos geworden sind, in einer Wohnung unterzubringen. In solchen Situationen muss derzeit bereits auf die temporäre Unterbringung in Hotels ausgewichen werden, was Mehrkosten gegenüber einer Wohnungslösung verursacht. Vor allem bei Familien mit schulpflichtigen Kindern sind solche Notlösungen problematisch. Sowohl aus menschlicher als auch aus finanzieller Sicht ist folglich mit Hochdruck anzustreben, dass der Handlungsspielraum der Gemeinde erhöht und nicht auf teure und unbefriedigende Zwischenlösungen im Asylbereich und in der Sozialhilfe ausgewichen werden muss.

Chance genutzt – ausgeschriebene Wohnung gekauft

Seit zwei Jahren beobachtet der Gemeinderat deshalb die Situation auf dem Immobilienmarkt aufmerksam, es wurden bisher aber keine geeigneten Immobilien ausgeschrieben. Im September nutzte der Gemeinderat nun eine sich bietende Gelegenheit, um den Handlungsspielraum der Gemeinde zu erhöhen. Er beschloss den Kauf einer ausgeschriebenen 5-Zimmer-Wohnung an der Sandbüelstrasse. Der Kaufpreis für die Wohnung betrug Fr. 850'000.– und liegt damit nur leicht über dem ausgeschriebenen Preis. Damit folgt der Gemeinderat seinem Grundsatz, dass er nicht die Preise in die Höhe treibt und moderate Angebote macht.

Wichtig zu betonen ist, dass die erworbene Liegenschaft nicht zweckgebunden für die Unterbringung von Asylsuchenden genutzt werden muss. Die Asylsituation kann sich auch wieder ändern. Aktuell laufen auf verschiedenen Ebenen Bestrebungen, die Asylquote zu stabilisieren. Gut denkbar ist, dass die Wohnung bei Bedarf für sonstige Sozialhilfefälle oder andere Mieter verwendet wird. Technisch gesehen bedeutet dies, dass die Wohnung dem Finanzvermögen der Gemeinde zugeordnet wird. Der Kauf der Liegenschaft liegt deshalb in der Kompetenz des Gemeinderates und kann zu 100 % über die aktuell verfügbaren liquiden Mittel abgewickelt werden. Fremdfinanzierungen müssen nicht in Anspruch genommen werden. Mit anderen Worten: Die Immobilie ist Teil des Finanzvermögens der Gemeinde, somit vielseitig einsetzbar und kann auch wieder verkauft werden. Das Finanzvermögen bezieht sich auf Vermögenswerte, die nicht unmittelbar und ausschliesslich für klar definierte und eng eingegrenzte öffentliche Aufgaben genutzt werden.

Aus Sicht des Gemeinderats ist das eine gute Lösung, um einerseits dem aktuellen Druck nach zusätzlichem Wohnraum zu begegnen und anderseits sorgsam mit Steuergeldern umzugehen – in der Überzeugung, dass eine Finanzinvestition in eine Immobilie langfristig mindestens werterhaltend ist. Der Kauf von weiteren Wohnungen wird aus den genannten Gründen gegenwärtig geprüft.

Mit dem Kauf der Wohnung an der Sandbüelstrasse kann der aktuelle und akute Wohnraummangel der Gemeinde Greifensee in den Bereichen Asyl und Sozialhilfe nicht beseitigt werden. Er bringt jedoch eine langfristige Entlastung. Sollte sich die Wohnraumsituation in den genannten Bereichen wider Erwarten mittel- bis langfristig komplett entspannen, könnte die Wohnung auch als reine Finanzliegenschaft auf dem freien Wohnungsmarkt vermietet oder aber wieder verkauft werden. Der Kauf schafft somit keine langfristig unverrückbaren Tatsachen. Er erhöht aber als sinnvolle Investition spürbar den kurzfristigen Handlungsspielraum.

Greifensee, 3. Oktober 2024
Gemeinderat Greifensee